Offensive der Heteros

Drei Worte sind es. Drei Worte bloß, und doch kommen sie vielen nur schwer über die Lippen, ganz besonders im Fußball: »Ich bin heterosexuell.« Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, wahrscheinlich musste nur einer den Anfang machen. Und es ist zweifellos kein Zufall, dass gerade der Bundestrainer im April dieses Jahres mit gutem Beispiel voranging und sich deutlich dazu bekannte (»Fragen Sie meine Frau«), mehr Interesse am anderen Geschlecht zu haben als am eigenen. Denn Joachim Löw, der mit der Nationalmannschaft die Fans verzaubert, musste wohl am wenigsten befürchten, durch die Balkenpresse gezogen, im Stadion verhöhnt und von seinen Spielern gemieden zu werden – oder gar seinen Job zu verlieren. Fast noch weiter ging anschließend Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der die Behauptung, ein erklecklicher Teil der Nationalspieler bevorzuge entgegen anders lautenden Gerüchten doch die gleichgeschlechtliche Liebe, als »Angriff auf meine Familie« bezeichnete. Da konnte und wollte auch die Bild-Zeitung nicht nachstehen; sie hatte gar eine »homosexuelle Verschwörung« gegen die Minderheit der heterosexuellen Kicker entdeckt. Den Stein ins Rollen gebracht hatte aber vermutlich der Ballack-Berater Michael Becker, als er der Deutschen liebstes Kind eine »Schwulencombo« nannte. Ein stärkeres Statement gegen das, was die Genderforschung »Homonormativität« nennt, ist kaum denkbar.

Auf Becker, Löw, Bierhoff und die Bild-Zeitung folgte Philipp Lahm, der in seinem Buch mit dem vielsagenden Titel ›Der feine Unterschied‹ ein flammendes Plädoyer für die Heterosexualität hielt und deutlich machte, wie sehr er sich von schwulen Groupies belästigt fühlt. Dass die Medien Lahms Kritik an Völler, Klinsmann & Co. dennoch stärker in den Mittelpunkt rückten als sein Bekenntnis zur Frauenliebe, ist im Grunde genommen nur damit zu erklären, dass jenseits aller Toleranzversicherungen immer noch eine gewisse Beklemmung vorherrscht, sobald sich Menschen als heterosexuell outen. Doch Arne Friedrich (Foto oben) ließ sich davon nicht beeindrucken. Vielmehr bekannte auch er, der Nationalspieler im Wartestand, sich nun öffentlich zu seiner sexuellen Neigung; ja, er behauptete gar ungewohnt angriffslustig: »Ich habe keinen Spieler erlebt, von dem ich überhaupt meinen könnte, dass der schwul ist, aber wenn es so sein sollte, wäre das auch okay.« Ihm zur Seite sprang seine Freundin Linn Rödenbeck, die in einem offenen Brief an die Bild-Zeitung – zweifellos das Flaggschiff in Sachen Hetero-Offensive – schrieb: »Ich habe keine Lust, irgendetwas zu rechtfertigen. Aber scheinbar« – genauer gesagt: anscheinend – »muss es einmal schwarz auf weiß stehen. Und vorab eine Entschuldigung an alle, die nun aus allen Wolken fallen. Nein, Arne ist nicht schwul.«

Eigentlich ist es ja bedauerlich, dass solche Statements noch immer nötig sind. Deutschland hat eine heterosexuelle Bundeskanzlerin, und mit Ausnahme von Berlin – wo der störrische Klaus Wowereit sein Schwulsein noch immer mit einem ermüdenden Und-das-ist-auch-gut-so kommentiert – werden alle Bundesländer von heterosexuellen Ministerpräsidenten respektive Regierenden Bürgermeistern geführt. Auch im Bereich der Musik, des Films und des Theaters finden sich viele Männer, die Frauen lieben, und Frauen, die Männer lieben. Doch im Fußball gehen die Uhren offenbar weiterhin anders – und vor allem: langsamer. Dort ist es noch längst nicht selbstverständlich, Heterosexualität nicht als Krankheit anzusehen, sondern als gleichberechtigte Lebensform – und vor allem als Privatsache, die, ginge alles mit rechten Dingen zu, nicht der Rede wert sein sollte. Und deshalb kann man nicht ausschließen, dass Arne Friedrich – sollte er denn einen neuen Verein finden – im Stadion künftig zur Melodie des Beatles-Hits ›Yellow Submarine‹ mit Schmähgesängen wie »Arne Friedrich ist heterosexuell, heterosexuell, heterosexuell« bedacht wird. Gerade deshalb ist sein Schritt so mutig und verdient allergrößten Respekt.

Ein herzliches Dankeschön an die Betreiber des Weblogs Gay West für die Inspiration. Und ein Hinweis auf den formidablen Text des wundervollen Frédéric Valin, Der Stock im Arsch – fünf Anmerkungen zu Arne Friedrichs Anti-Outing, veröffentlicht auf dem Weblog Zum Blonden Engel.