Aktion Libero

Wann immer man glaubt, es gebe im Fußball so etwas wie zarte Fortschritte in Bezug auf den Umgang mit dem Thema Homosexualität, folgt so sicher die Ernüchterung auf dem Fuße wie der Abpfiff des Schiedsrichters nach 90 Minuten plus Nachspielzeit. Beispiele gefällig? »Wenn ein Spieler schwul ist, ist er trotzdem mein Mannschaftskollege, und für mich würde sich im Umgang mit ihm nichts ändern«, hatte Philipp Lahm einmal dem schwulen Lifestyle-Magazin Front Ende des Jahres 2007 gesagt und ergänzt: »Ich registriere das nicht, für mich geht es darum, welche Ansichten jemand hat und ob er sich vernünftig verhält. Ich lebe gerne in einer liberalen, offenen Gesellschaft, in der ein tolerantes Miteinander ohne diskriminierende Vorurteile möglich ist.« Dreieinhalb Jahre später erschien Lahms Buch ›Der feine Unterschied‹, in dem der Kapitän des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft ausdrücklichen Wert auf die Feststellung legt, keineswegs homosexuell zu sein, und in dem er darüber hinaus behauptet, zum Umzug genötigt gewesen zu sein, nachdem ihm ein Mann vor seiner Haustür gestanden habe, sich in ihn verliebt zu haben. Und den ehemaligen Hertha-Kicker Arne Friedrich, deutscher Nationalspieler wie Lahm, störte die Tatsache, dass beim Googeln seines Namens als erster Ergänzungsbegriff das Wort ›schwul‹ angeboten wird, so sehr, dass er seine Lebensgefährtin kürzlich in einem offenen Brief an die Bild-Zeitung versichern ließ, die gemischtgeschlechtliche Liebe zu bevorzugen.

Auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) wird so ziemlich jede Aktivität gegen die Homophobie postwendend durch mindestens unglückliche, oft sogar unnötige und schädliche Äußerungen konterkariert. Zwar hat sein Präsident Theo Zwanziger, anders als dessen Amtsvorgänger, der Schwulenfeindlichkeit so engagiert wie öffentlich den Kampf angesagt. Doch sowohl sein eigenes, fragwürdiges Krisenmanagement im Streit um die Affäre zwischen dem (ehemaligen) Schiedsrichter-Funktionär Manfred Amerell und dem Unparteiischen Michael Kempter als auch die befremdliche Reaktion des Nationalmannschafts-Managers Oliver Bierhoff auf einen ARD-Tatort, in dem es um einen schwulen Profi ging, waren herbe Rückschläge. Überdies scheinen sich die Vereine, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, einfach nicht dazu entschließen zu können, ihrerseits entschlossen gegen die Homophobie einzutreten. Noch immer ist der Fußball also »eines der letzten heterosexuellen Milieus«, wie die FAZ im Februar 2008 feststellte: »Niemand, der sagt: Ich bin schwul, und das ist auch gut so«, wie es Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, im Juni 2001 auf einem Parteitag der Hauptstadt-SPD tat. »Auch Moderatorinnen, Schauspieler oder Modeschöpfer haben sich in den letzten Jahren zu ihrer Homosexualität bekannt. Ganz offensichtlich aber ist der Fußball in dieser Beziehung kein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung.«

Dies zu ändern, sind in den letzten Jahren viele Fan-Initiativen und Einzelpersonen nicht nur aus dem Bereich des Fußballs angetreten. Und nun haben sich zahlreiche Sportblogger in der Aktion Libero zusammengeschlossen, der auch Lizas Welt angehört. Sie alle gehen auf ihren Blogs heute, am 16. November 2011, mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit (siehe unten) und präsentieren zudem eine gemeinsame Website, auf der die Hintergründe und genauen Inhalte der Aktion ausführlich dargelegt, Stimmen von Unterstützern versammelt sowie weiterführende Texte und Links angeboten werden. Ein Support – in welcher Form auch immer – ist ausdrücklich erwünscht.

AKTION LIBERO – SPORTBLOGS GEGEN HOMOPHOBIE IM FUSSBALL

Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Zumindest im besten Fall, für schwule Profifußballer dauert das Versteckspiel ein Leben lang: Keiner wagt es, seine Homosexualität offen zu leben. So schön Fußball auch ist – Ressentiments halten sich in seinem Umfeld hartnäckig.

Ein unerträglicher Zustand! Ob jemand schwul ist, oder rund, oder grün, das darf keine Rolle spielen. Wir alle sollten ein bisschen besser aufpassen – auf unsere Worte, unser Denken, unsere Taten: Die Freiheit jedes Einzelnen ist immer auch die eigene Freiheit.

Wir schreiben in unseren Blogs über Sport, und unsere Haltung ist eindeutig:

Wir sind gegen Homophobie. Auch im Fußball.

Tipp zum Weiterlesen: Dirk Leibfried/Andreas Erb: Das Schweigen der Männer. Homosexualität im deutschen Fußball. Göttingen (Verlag Die Werkstatt) 2011, 176 Seiten, 12,90 Euro.