No pas(s)aran

Kleine Preisfrage: Warum wohl hat sich kein deutsches Medium für die folgende Meldung der palästinensischen Nachrichtenagentur Ma’an* interessiert?

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) enthält Bewohnern von Gaza ihre Pässe vor, sagte eine palästinensische Menschenrechtsorganisation am vergangenen Donnerstag. Das Al-Mezan Center for Human Rights hatte im Juni den in Ramallah ansässigen Premierminister Salam Fayyad angeschrieben und ihn nachdrücklich gebeten, sich an die Gesetze zu halten und niemanden bei der Passvergabe zu benachteiligen. Seitdem hat die Vereinigung nach eigenen Angaben weitere Beschwerden im Auftrag von Bürgern eingereicht, denen der Reisepass verweigert wurde. Die PA habe jedoch auf keine dieser Eingaben reagiert. Zu den Klägern gehören Al-Mezan zufolge Ahmed Abu Fou’ad, der an Krebs erkrankt ist, Mohammed Subeh, der eine Augenoperation benötigt, und der Rettungssanitäter Alaa’ Sarhan, der wegen einer Verletzung durch ein Schrapnell sowie aufgrund urologischer Probleme dringend auf einen Chirurgen angewiesen ist. Auch der Rat der palästinensischen Nichtregierungsorganisationen für Menschenrechte hatte laut dem Bericht von Al-Mezan an Fayyad die Bitte gerichtet, sich um diese Fälle zu kümmern, aber ebenfalls keine Antwort erhalten. Al-Mezan rief die PA und insbesondere deren Innenministerium dazu auf, die Bürgerrechte zu respektieren. Eine Ungleichbehandlung der Bürger auf der Grundlage politischer Zugehörigkeiten oder Ansichten führe zu „ungeheuerlichen Verletzungen der Menschenrechte und der Rechtsgrundsätze“.

Die Antwort auf die eingangs gestellte, zugegeben rhetorische Frage fällt nicht schwer: Die Nachricht wurde ignoriert, weil das darin dargelegte Problem selbst beim schlechtesten Willen nicht Israel angelastet werden kann. Allenthalben wird die Aufhebung der israelischen Blockade des Gazastreifens verlangt, den sich ganz besonders kritisch dünkende Köpfe gern „das größte Freiluftgefängnis der Welt“ nennen. Auch der Deutsche Bundestag machte sich unlängst einstimmig diese Forderung zu Eigen und rief nach einer „unmittelbare[n], bedingungslose[n] und dauerhafte[n] Öffnung von Zugängen zu Gaza für den Verkehr von […] Personen nach und aus Gaza“. Dabei können die im Gazastreifen lebenden Palästinenser ihr angebliches Gefängnis durchaus verlassen, beispielsweise über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten. Nur brauchen sie dafür zwangsläufig gültige Pässe – die von der Palästinensischen Autonomiebehörde jedoch ebenso wenig an die Hamas herausgerückt werden, wie die Hamas ihrerseits Dokumente für Fatah-Mitglieder ausstellt.

Das heißt, um im Bild zu bleiben: Die Wärter des „größten Freiluftgefängnisses der Welt“ sind selbst Palästinenser. Und genau deshalb hört und sieht man auch nichts von den zahllosen ach so pro-palästinensischen Aktivisten, die noch im Schlaf jede vermeintliche israelische Missetat der vergangenen 62 Jahre herunterbeten können. Kein Norman Paech, der sich über die diskriminierenden Praktiken von Hamas und Fatah gegenüber Angehörigen der jeweils anderen Fraktion echauffiert. Keine Katholiken von Pax Christi, die vor einer humanitären Katastrophe warnen. Und keine Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), die es für einen Skandal halten, dass schwer kranke Gazaner daran gehindert werden, die notwendige medizinische Versorgung im Ausland zu bekommen. Doch das verwundert nicht: Als (vermeintliche) Opfer der Israelis werden die Palästinenser von den „Israelkritikern“ stets geschätzt und verehrt, aber ansonsten sind sie nicht solidaritätsfähig. Quod erat demonstrandum.

* Übersetzung: Lizas Welt

Zum Foto: Jeglicher Sympathien für die Fatah oder gar für Israel garantiert unverdächtig – Lauren Booth, die Schwägerin des früheren britischen Premierministers Tony Blair, nimmt vom Hamas-Führer Ismail Haniya einen palästinensischen Pass entgegen. Gaza, September 2008. (Siehe auch den Beitrag von Lisa Goldman auf Pajamas Media, „Tony Blair’s sister-in-law’s Gaza media circus“.)

Eine niederländische Übersetzung dieses Beitrags findet sich auf dem Webportal Amsterdam Post: No pasaran!