Tempelberg ohne Juden: »Drittheiligst« ist Trumpf

Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Westmauer in Jerusalem. © Wiki Commons

Wenn Juden auf dem Tempelberg beten, heißt es in deutschen Medien nahezu unisono, sie seien »Provokateure« und »Extremisten« – und hätten deshalb die Gewalt, die ihnen dort von Muslimen entgegenschlägt, selbst zu verantworten. Die Wirklichkeit sieht jedoch gänzlich anders aus.


VON STEFAN FRANK

Können Sie den drittheiligsten Ort des Christentums nennen? Den drittheiligsten Ort des Buddhismus, des Kommunismus oder des FC Bayern München? Schwierig, nicht wahr? Auch Google hilft hier nicht weiter: Gibt man »drittheiligster« ein, erhält man ausschließlich Artikel über den Tempelberg in Jerusalem. Dieser, so heißt es einhellig, sei der »drittheiligste Ort des Islam« (einen viertheiligsten gibt es nicht), und das Arsenal an Steinen und Brandbomben, das die gläubigen Muslime in der Al-Aksa-Moschee stets vorrätig halten, lässt erahnen, wie tief ihr religiöses Empfinden ist. Was am letzten Juliwochenende geschah, gehört zum Tagesgeschäft: »Maskierte Araber griffen am Sonntagmorgen mit Steinen, Molotow-Cocktails und Feuerwerkskörpern Polizeibeamte am Tempelberg an. Die Sicherheitskräfte drängten die Randalierer zurück in die Al-Aksa-Moschee.«

Bewaffnete muslimische Hooligans greifen unbewaffnete Juden an. »Wer ist hier Opfer, wer Täter?«, würde die ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann wohl – wie im Falle des Massakers in einer Jerusalemer Synagoge im November 2014 – fragen. »Israelische Polizei dringt in Al-Aksa-Moschee ein«, lautete die Schlagzeile im Videotext der staatlichen deutschen Fernsehsender. Die Süddeutsche Zeitung resümierte den Vorfall so: »Bestrebungen ultranationalistischer Juden, auf dem Tempelberg zu beten, führen zu gewalttätigen Zusammenstößen. Israels Polizei schlägt sich zunehmend auf die Seite der Rechten.« Die »Rechten« sind natürlich nicht die militanten Rassisten, die Menschen verletzen oder töten, sondern jüdische Spaziergänger, die sich erdreisten, das ihnen von deutschen Journalisten zugewiesene Ghetto zu verlassen. Im Unterschied zu Muslimen und deutschen Touristengruppen haben Juden auf dem Tempelberg nämlich nichts verloren, diktiert die Süddeutsche; wenn sie dort auftauchen, sei das bloß eine »Provokation«. Damit ist auch geklärt, wer für die Folgen respektive Verletzten verantwortlich ist: Juden provozieren durch ihre Existenz Gewalt.


Provokateure und Extremisten?

Nach zweitausend Jahren Antisemitismus gibt es auch Juden, die diesen so sehr verinnerlicht haben, dass sie selbst glauben, es wäre dem Frieden zuträglicher, wenn es Orte gibt, wo keine Juden leben, die also, wie man eine Zeitlang sagte, judenrein sind. Der größte Teil von Judäa und Samaria, des biblischen Landes der Juden, ist heute judenrein, ebenso der Gazastreifen. Manche meinen, auch am jüdischsten Ort der Welt, dem Tempelberg, sollte es lieber keine Juden geben – des Friedens willen –, und sogar der Staat Israel erlegt Juden, die den Tempelberg besuchen wollen, Restriktionen auf, die Juden gegenüber Muslimen und auch allen anderen deutlich benachteiligen.

Es ist bizarr: Während Mekka, das Heiligtum der Muslime, allen Nichtmuslimen verboten ist – diese dürfen noch nicht einmal die dortige Autobahnausfahrt nehmen –, verhält es sich mit dem Heiligtum der Juden genau umgekehrt: Es ist für Juden, wenn auch nicht total verboten, so doch ein Gefahrengebiet, das sie nur sehr selten und nur nach penibler Kontrolle betreten dürfen. Tuvia Tenenbom beschreibt am Anfang seines Buches »Allein unter Juden«, wie er versucht, dorthin zu gelangen und von israelischen Polizisten daran gehindert wird:

Hier ist ein Tor. Und vor dem Tor stehen Polizisten. Israelische Polizisten.

»Sind Sie Muslim?«, fragt einer von ihnen.

Bin ich, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.

»Kennen Sie den Koran?«

Aber selbstverständlich!

»Zeigen Sie’s mir.«

Wie in aller Welt soll ich ihm das zeigen? Und warum? Allerdings hat er eine Waffe und ich nicht. Also sage ich: Aschhadu an la ilaha wa aschhadu anna Muhammad ar-rasul-lallah. (Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Allah gibt, und ich bezeuge, dass Mohammed Allahs Gesandter ist.) Das ist das Glaubensbekenntnis. Wenn jemand diesen Satz ausspricht, wird er nach islamischem Recht zu einem Muslim – falls er es nicht schon ist.

Dies sollte den Waffenbesitzer zufriedenstellen. Das Problem ist nur, dass Polizisten keine Imame und religiöse Gesetze nicht ihr Fachgebiet sind. »Sagen Sie die Fatiha!«, bellt er mich an wie einen jüdischen Hund.

Meine Islamstudien liegen lange zurück, und ich erinnere mich nicht genau, nur noch an den Anfang.

Ich versuche es trotzdem. Und sage: Bi-smi llahi r-rahmani r-rahim, al-hamdu li-llahi rabbi l-alamin (Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen! Lob sei Allah, dem Weltenherrn.)

Das sollte reichen, denke ich. Der Polizist aber sagt: »Weiter!«

Für wen hält er sich, für Allah? Warum sollte ich ausgerechnet ihn anbeten?

Das tue ich nicht, woraufhin er mit seinem Kollegen erörtert, warum ich mich so merkwürdig verhalte. Sie reden und reden und kommen schließlich zu der Entscheidung: »Sie sind Christ. Zutritt verboten.«

Die von linken Israelis gehegte Wunschvorstellung, großzügige Zugeständnisse würden dem jüdischen Staat Sympathien in der arabischen Welt bescheren, ist nicht erst durch den Rückzug aus dem Gazastreifen völlig widerlegt worden, sondern schon durch das Trauerspiel um den Tempelberg. Was hat Israel dadurch erreicht, dass es die jordanische Tyrannei auf dem Tempelberg belassen hat, während es den Zugang von Juden strikt reglementiert? Zweierlei: Erstens, dass der Tempelberg nicht nur im islamischen Verständnis, sondern auch in der Vorstellung der säkularen europäischen Presse zu einem in erster Linie »islamischen Heiligtum« geworden ist, während seine – viel größere – Bedeutung für die Juden völlig ausgeblendet wird. Während für nicht wenige europäische Journalisten alle Juden, die auf dem Tempelberg ihre Religion ausüben wollen, »Provokateure« oder »Extremisten« sind, wird der Exklusivitätsanspruch der Muslime – der oft mit Gewalt einhergeht – zu einer legitimen »Angst« oder »Furcht« umgedeutet und verharmlost. Die Angreifer werden zu Verteidigern stilisiert und umgekehrt. Zweitens darf man nicht glauben, dass ein Appeasement gegenüber den Judenhassern dazu führen würde, dass sie irgendwo Halt machen: Die Palästinensische Autonomiebehörde möchte die Juden nun auch noch von der Westmauer vertreiben – denn diese sei ebenfalls Teil der Al-Aksa-Moschee.


»Al-Aksa in Gefahr«: 90 Jahre antisemitische Propaganda

Die Täter-Opfer-Umkehr ist seit 90 Jahren das Grundmuster der radikalen Propaganda: »Al-Aksa in Gefahr!«, lautet die Lüge. Hinzu kommt die wider besseres Wissen postulierte abwegige Behauptung, es habe auf dem Tempelberg nie einen jüdischen Tempel gegeben. Es ist vor allem politisches Kalkül, das den Tempelberg (arabisch: al-Haram al-Sharif) für Islamisten so interessant macht.

Diese Propaganda reicht bis in die 1920er Jahre zurück. Amin al-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, erkannte damals, dass der Tempelberg sich dazu eignete, mehrere Ziele auf einmal zu erreichen. Während er im Ausland Geld für die dringend notwendige Renovierung der beiden Moscheen sammelte, überhöhte er ihre Bedeutung – und damit zugleich seine eigene –, indem er das Gerücht verbreitete, die Juden wollten den Tempelberg besetzen und die Al-Aksa-Moschee zerstören. Als angeblichen Beweis präsentierte er das Werbematerial einiger zionistischer Gruppen, auf denen die Kuppel des Felsendoms oder die Al-Aksa-Moschee zu sehen waren. Führer des Jischuw, der Juden in Palästina, erklärten vergeblich, dass es sich lediglich um Illustrationen für Spendenaufrufe handelte, die schon seit Jahrzehnten kursierten.

Während Husseini über diese fiktive Bedrohung klagte, arbeitete er selbst daran, die Juden von der Westmauer (»Klagemauer«) zu vertreiben, wo sie seit dem 16. Jahrhundert beten durften. Er erwirkte bei der britischen Mandatsverwaltung die Erlaubnis, direkt neben der Westmauer eine Moschee zu errichten, von deren Minarett ein Muezzin rufen würde, und öffnete einen zur Westmauer führenden Pfad, der bis dahin eine Sackgasse gewesen war, was zur Folge hatte, dass Menschen mit ihren Eseln durch die Gebetszone der Juden liefen. 1929 strebte er gezielt nach der Eskalation. Er sorgte dafür, dass das Gebet der Juden immer wieder von Trommeln, Tänzen, Zimbeln und »Allahu Akbar«-Rufen gestört wurde. Mehr und mehr kam es zu tätlichen Übergriffen auf Juden und schließlich zum Massaker von Hebron im August 1929. Der Anlass: das Gerücht, die Juden wollten die Al-Aksa-Moschee zerstören.

Am Ende des israelischen Unabhängigkeitskrieges von 1948 hatten jordanische Truppen den Tempelberg und den Osten Jerusalems besetzt. Juden durften nicht nach Ostjerusalem, auch nicht zur Westmauer. Als Israel im Juni 1967 die jordanischen Truppen vertrieb und den Tempelberg eroberte, änderte sich dort fast nichts. Die Israelis verzichteten darauf, ihre Macht auszuüben, um das Recht auch der Juden, ebenfalls auf dem Tempelberg beten zu dürfen, zu gewährleisten. Sie verfuhren anders als die Muslime, die in den 1948 eroberten Gebiete alle Synagogen schändeten und zerstörten.

Der israelische Verteidigungsminister Moshe Dayan gestand der jordanischen Religionsstiftung, der Waqf, zu, die Kontrolle zu behalten. »Wir sind nicht gekommen, um die heiligen Stätten anderer zu erobern oder ihre religiösen Rechte einzuschränken, sondern um die Einheit der Stadt zu sichern und in ihr mit anderen in Frieden zu leben«, sagte er in einer Radioansprache. Den Juden sollte lediglich ein Besuchsrecht eingeräumt werden, nicht aber das Recht, dort zu beten. Seither wacht die israelische Polizei an den Eingängen über die Einhaltung islamischer Vorschriften. Von elf Eingängen dürfen zehn nur von Muslimen benutzt werden. Das Mitnehmen von Bibeln ist verboten. Juden werden besonders streng durchsucht, um etwaige in ihrer Kleidung versteckte Zettel mit Gebeten zu finden und zu beschlagnahmen.

Es ist verstörend für Juden: 2000 Jahre lang war es die Sehnsucht, an diesem Ort beten zu dürfen. Jetzt, wo die Juden in ihr Land zurückgekehrt sind, ist die Mitte ihrer Hauptstadt und ihr heiligster Ort wie exterritoriales Gebiet. Unter strengen Auflagen dürfen sie es als Touristen betreten – und selbst das nur zu bestimmten Zeiten. Beten dürfen sie nicht, und wenn sie auftauchen, werden sie beschimpft, mit »Allahu akbar!«-Rufen attackiert, oft auch bespuckt, manchmal mit Steinen beworfen. Die Schikane von jüdischen Besuchern des Tempelbergs ist inzwischen ein richtiger Industriezweig, der etlichen arabischen Familien Lohn und Brot gibt, wie der palästinensische Journalist Khaled Abu Toameh schreibt:

Fast täglich lauern muslimische Störer jüdischen Besuchern auf, beschimpfen sie und schreien ihnen »Allahu Akbar« (»Allah ist größer«) ins Gesicht. Schon einige Male kam es vor, dass Palästinenser jüdische Besucher – sogar Kinder – mit Schuhen beworfen haben. Verschiedene palästinensische Gruppen heuern Frauen und Kinder an, damit sie jüdische Besucher und sie begleitende Polizisten schikanieren. Die Frauen, die als Murabitat (»die Standhaften«) gepriesen werden, haben nur eine Mission: die Schikane jüdischer Besucher. Sie behaupten, ihre Hauptaufgabe sei es, die Al-Aksa-Moschee gegen jüdische »Aggression« zu verteidigen. Manche dieser Frauen erhalten ein monatliches Gehalt von bis zu 1.500 Schekel (etwa 350 Euro) dafür, dass sie versuchen, jüdische Besucher am Zugang zu hindern.

Die Erbschaft des Muftis von Jerusalem

Mehr denn je dient der Tempelberg heute dem Schüren von Hass auf Israel. »Der klare Erbe des Großmuftis, der vor über 80 Jahren die ›Al-Aksa-in-Gefahr‹-Lüge erfand, ist Scheich Raed Salah«, sagt der israelische Historiker und Journalist Nadav Shragai, der sich in seinen Büchern mit der Geschichte des Tempelbergkonflikts beschäftigt hat. Salah ist der Chef des nördlichen Zweigs der Islamischen Bewegung in Israel und strebt nach einem weltweiten Kalifat mit Jerusalem als Hauptstadt. Er rufe oft danach, Leben »für die Verteidigung Al-Aksas« zu opfern, und benutze Bilder wie »Unser Blut ist immer noch an ihren [der Juden; S.F.] Kleidern, an ihren Türen, in ihrem Essen und Trinken«, so Shragai. »Der Gipfel der Absurdität ist erreicht, wenn Israels Sicherheitsbehörden, die sich rund um die Uhr um den Schutz der Moscheen des Tempelberges kümmern, beschuldigt werden, Handlungen zuzulassen oder gar zu begünstigen, die darauf zielen, sie zu beschädigen.« Als Beispiele nennt er den von einem Australier verübten Brandanschlag von 1969 und die Ermordung eines Wächters der Al-Aksa-Moschee durch den jüdischen Amerikaner Alan Goodman im Jahr 1982. »Solche Vorfälle, verübt von Extremisten, die der Staat Israel verhaftet, vor Gericht stellt und einsperrt, werden von muslimischen Organisationen ausgebeutet, um riesige Spendensammlungen für Moscheen und ihre Vorhöfe zu organisieren und den Hass auf Israel und das jüdische Volk weiter anzufachen.«

So bezeichnete die Waqf auch israelische Pläne, am Mughrabi-Tor Metalldetektoren aufzustellen, als einen »groben Verstoß gegen die Heiligkeit der Moschee, als eine Beschränkung der Religionsfreiheit und als klare Einmischung in die Macht und Befugnisse des islamischen Waqf, der die gesamte muslimische Welt repräsentiert«. Dabei müssten nur Nichtmuslime die Kontrollen über sich ergehen lassen. Was immer Israelis zum Schutz des Tempelbergs tun, die Waqf ist dagegen.

Dazu werden die unglaublichsten Gerüchte verbreitet. Eines davon lautet, Israel wolle ein künstliches Erdbeben auslösen, um die Al-Aksa-Moschee zu zerstören. Dass nicht nur ein kleiner, isolierter Kreis von Fanatikern solche Geschichten glaubt, kann man der Charta der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) entnehmen, eines der mächtigsten Staatenbünde der Welt: Als Anlass ihrer Gründung nennt die OIC ausdrücklich den »kriminellen zionistischen Versuch, die Al-Aksa-Moschee niederzubrennen«. Als Yassir Arafat im Jahr 2000 entschied, die Friedensgespräche mit dem israelischen Premierminister Ehud Barak abzubrechen (der ihm in Camp David einen eigenen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt angeboten hatte) und stattdessen eine Mordwelle zu starten, nahm er einen lange geplanten Besuch des israelischen Politikers Ariel Scharon auf dem Tempelberg als Vorwand – einen Besuch, dem er zuvor selbst zugestimmt hatte. Der »Al-Aksa-Intifada« fielen bis 2005 tausend Israelis zum Opfer.

Arafat war auch der Urheber einer anderen Lüge: Auf dem Tempelberg habe es nie einen jüdischen Tempel gegeben, behauptete er seit Juli 2000 bis zu seinem Tod. Auf eine so dreiste Behauptung war vor ihm niemand gekommen, doch heute zählt sie zur Grundausrüstung der Fatah-Propaganda. »Zu den neuesten Lügen über den Tempelberg«, sagt Nadav Shragai, »gehört, dass die israelische Regierung Juden erlauben wird, dort zu beten – tatsächlich hat der israelische Premierminister Netanjahu dies gegenüber dem König von Jordanien und der US-Regierung ausgeschlossen, und auch, dass sie den Status quo von 1967 ändern wolle«. Die Wahrheit sei vielmehr, »dass damals vereinbart wurde, dass Juden den Tempelberg besuchen dürfen. Das ist ihnen aber heute unmöglich; wegen der Gewalt der Muslime blockiert die Polizei den Zugang für Juden Tag für Tag. Die Muslime hingegen haben 1967 nur in der Al-Aksa-Moschee gebetet. Heute tun sie das auch im Felsendom und zwei weiteren Moscheen.« Die Propaganda koste Menschenleben, so Shragai: »Wenn man sich die Kommentare in arabischen Zeitungen, Websites und auf Facebook anschaut, findet man im Überfluss Belege für die Verbindung zwischen den Al-Aksa-Lügen und der Gewalt in Jerusalem und in Israel, die in den Morden an Juden mündet.«


Wie weiter?

Hat sich die Einstellung der Juden zu ihrem größten Heiligtum seit 1967 geändert? Ja, sagt Shragai: »1967 hat das Oberste Rabbinat den Juden das Betreten des Tempelbergs verboten.« Sie seien im Zustand der Unreinheit, da es die rote Kuh nicht mehr gebe, deren Asche laut dem Tanach für den Reinigungsprozess notwendig ist, lautete damals die Begründung. Heute hätten viele Rabbiner eine andere Meinung und erlaubten Juden das Betreten des Bergs. »Das macht die Situation für die israelische Polizei schwieriger. Aber sie muss sich dieser Situation stellen, statt vor ihr wegzulaufen.«

Zur Frage, ob Juden auf dem Tempelberg beten können sollen, gibt es in Israel unterschiedliche Ansichten. Nadav Shragai bejaht das Recht prinzipiell – »immerhin ist es der heiligste Platz des Judentums und nur der drittheiligste der Muslime« –, hält es aber derzeit nicht für durchsetzbar. »Wenn wir darauf bestehen, werden wir den Tempelberg am Ende überhaupt nicht mehr besuchen können«, so seine Sorge. Es ist jetzt offenbar die Strategie der Islamisten, mit ihrer Propaganda ganz auf das Thema Tempelberg zu setzen, um die Stimmung weiter anzuheizen. Wie schon 1929 wird der Ruf »Verteidigt Al-Aksa!« so verstanden, wie er gemeint ist: als Aufforderung zu Massakern an Juden.

Zum Foto: Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Westmauer in Jerusalem. © Wiki Commons.