Im Vorstand des Oldenburger Kreisverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schafft man es nicht, eindeutig Position gegen die antiisraelischen Boykottaktivitäten des Lehrers und Gewerkschaftsmitglieds Christoph Glanz zu beziehen (mehr zu den Hintergründen hier und hier). Neun Mitglieder der GEW in Oldenburg haben nun in einer bemerkenswerten Erklärung dazu Stellung genommen und sich von ihrem Vorstand distanziert. Mit freundlicher Genehmigung der Verfasser dokumentiert Lizas Welt diese Erklärung.
»Gewerkschaft stellt sich hinter Lehrer Glanz« lautet die Überschrift eines Beitrags [in der Nordwest-Zeitung] zu der GEW-Affäre bezüglich eines obsessiven »Israelkritikers«, Kampagnenbetreibers und Lehrers an der IGS Flötenteich.
Der Gewerkschaftsvorstand spricht nicht in unserem Namen. Wir machen uns keine Illusion über die Gründe der Nicht-Veröffentlichung des geplanten Werbeartikels für die antisemitisch konnotierte BDS-Kampagne in der Oldenburger Mitgliederzeitschrift Paedol. Dies ist lediglich auf äußeren Druck erfolgt, nicht aus innerer Einsicht der örtlichen GEW-Nomenklatura.
Das wird auch vom Landesvorsitzenden der GEW Niedersachsen, Eberhard Brandt, in einer E-Mail bestätigt, in der er aussagt, dass er als Landesvorsitzender interveniert hat, nachdem er vom Kreisvorsitzenden Bührmann um Unterstützung gebeten wurde, um einen Weg aus der Krise zu finden, die durch den Boykottaufruf in der lokalen GEW-Zeitung verursacht worden war.
Eine solche Intervention ist ein Armutszeugnis für den gesamten Oldenburger Kreisvorstand. Die Solidarisierung mit Herrn Glanz, das vorherige Hin und Her deuten auf einen Machtkampf im Weser-Ems-Bezirk der GEW hin. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht es so aus, als hätten sich die Gesinnungsgenoss_innen von Herrn Glanz durchgesetzt, d.h. diejenigen alten Linken, die eine »offene« Diskussion über den globalen Ausschluss Israels aus jeder akademischen, sportlichen, kulturellen und ökonomischen Gemeinschaft fordern.
Das hat nichts mit politischer Auseinandersetzung zu tun. Solche demagogischen und hassfördernden Forderungen sollten dort, wo es möglich ist, unterbunden werden und haben nichts in einer Gewerkschaftszeitung zu suchen.
Bereits 2014 hat die GEW Oldenburg eine Veranstaltung mit Herrn Glanz durchgeführt mit dem bezeichnenden Titel »Die Psychologie des israelischen Siedlerkolonialismus«.
Herr Glanz war beteiligt an der Organisation des Erinnerungsgangs 2013. Im Rahmen dieser Veranstaltung hat Herr Glanz einen Workshop in der Schule IGS Flötenteich angeboten:
Darf man das? Völkermorde und Instrumentalisierung von Völkermord
Gibt es achtenswerte und weniger beachtenswerte Opfer? Wir betrachten einerseits zentrale Merkmale von Völkermorden (Ausrottung der Indianer, armenischer Völkermord, Verfolgung der Rohingya) und untersuchen Tabus, Propaganda und Opferhierarchien am Beispiel Palästinas und Israels.
(Aus der Veranstaltungsankündigung)
Der Vorwurf, Juden und Jüdinnen bzw. Israel würden den Holocaust instrumentalisieren, um für sich Vorteile zu erlangen, z.B. in Form von Geld oder politischer Unterstützung, gehört zu den geläufigen antisemitischen Topoi. Darüber hinaus, und das ist das besonders Perfide an dieser Ankündigung, kann man durchaus herauslesen, dass Israel an den Palästinenser_innen einen dem Holocaust vergleichbaren Völkermord begangen habe oder begehe.
Im Dezember 2012 war nach unserer Kenntnis auf Einladung von Herrn Glanz der britische Journalist Harry Fear zu einem Vortrag in der IGS Flötenteich. Bei einem öffentlichen Auftritt des Journalisten in Oldenburg hat dieser völlig distanzlos Partei ergriffen für die islamistische Hamas. Einen Veranstaltungsbericht gibt es hier.
Ist die Schulleitung über die genauen Inhalte der o.a. Veranstaltungen informiert? Ist es das, was den GEW-Vorstand zur Lobeshymne (»weit über das Mindestmaß hinausgehendes Engagement für Frieden, Verständigung, Aufklärung und Toleranz«) auf Herrn Glanz veranlasst? Inwieweit ist der GEW-Ortsverband überhaupt kompetent und berechtigt, die pädagogische Arbeit von Lehrer_innen zu bewerten? Im Normalfall ist das die Aufgabe der Schulleitung und der Landesschulbehörde.
Der Landesverband und der Bundesverband der GEW haben eindeutig Position bezogen gegen die »Israelkritik« der BDS Kampagne; der Kreisvorstand Oldenburg fühlt sich mit der »Bewertung« der Kampagne entweder überfordert (sic!) oder unterstützt sie aktiv. Wir sind der Auffassung, dass der amtierende Kreisvorstand der GEW nicht mehr in der Lage ist, seinem Auftrag gerecht zu werden, die gesamte Mitgliedschaft des Kreisverbandes Oldenburg angemessen zu repräsentieren, sondern der GEW Schaden zufügt.
Als Mitglieder der GEW hätten wir uns niemals vorstellen können, dass unsere Gewerkschaft sich in einen solchen Kampagnensumpf hineinziehen lässt.
Rolf Jordan
Hanne Boyn
Guido Frühauf
Barbara Hallerbach
Raimund Hethey
Christian Katz
Jan-Ole Kliem
Lisa Scheremet
Martin Vialon
Zum Foto: Protest gegen die BDS-Kampagne in Melbourne, September 2011.
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