Nachsicht mit dem Schläger

Milde Strafe für einen antisemitischen Aktivisten: Am 8. November wurde in Hamburg das Urteil in einem Fall gesprochen, der in Verbindung zu der politisch motivierten Blockade eines Kinofilms steht, die vor zwei Jahren international für Aufsehen gesorgt hatte.


VON STEFAN FRANK UND HEINER KORDEWINER


Am 25. Oktober 2009 hatte eine Gruppe von Hooligans aus dem antisemitischen Spektrum der linken Szene Hamburgs gewaltsam die Vorführung von Claude Lanzmanns Film »Warum Israel« verhindert. Militante Israelhasser hatten sich vor dem Eingang des Kinos aufgebaut, Personen, die den Film sehen wollten, den Zugang zum Kino verstellt und sie unter anderem als »Judenschweine« und »Schwuchteln« beschimpft. Mehrere Besucher wurden durch Faustschläge verletzt. Damit auch der Dümmste die antiisraelische Absicht erkennt, baute die Rotte eine Kulisse auf, die einen »israelischen Checkpoint« darstellen sollte.

Dass die Veranstalter trotz der von den Blockierern verübten Straftaten nicht die Polizei riefen, könnte nach Ansicht vieler Beobachter ideologische und andere obskure Gründe haben: Sowohl die Randalierer als auch die Betreiber des Kinos B-Movie, die den Film zeigen wollten, rechnen sich der politischen Linken zu. Sie arbeiten Tür an Tür und teilen sich einen heiligen Ort: In einem Teil der Brigittenstraße 5 in Hamburg befindet sich das Kino, das von linksalternativen Filmfreunden betrieben wird. In einem anderen (Foto oben) sind die »B5« genannten Versammlungsräume, in denen sich linke Antisemiten, Verschwörungstheoretiker und Anhänger völkischer Bewegungen treffen, um gegen den »Imperialismus« zu wettern. Die Toiletten des Hauses müssen linke Filmfreunde und linke Judenhasser gemeinsam benutzen.

Was die ideologischen Defäkationen der »B5« betrifft, so hat inzwischen auch die Hamburger NPD sie gerochen: Kurz nach dem Vorfall vor dem Kino unterbreitete sie den Linksnazis ein Kooperationsangebot, unter Hinweis auf die »vielen Gemeinsamkeiten mit dem weltanschaulichen Fundament der NPD«. Als Beispiele nannte sie den »geistigen Widerstand gegen den Kapitalismus, gegen die Ausbeutung sozial benachteiligter Angehöriger unseres Volkes sowie de[n] Kampf gegen politische Repression, internationale Kriege der USA und die Zersetzung der geistigen und kulturellen Substanz unseres Volkes«.

Vor der Verhinderung des Lanzmann-Films waren Personen aus der »B5« bereits häufiger durch antisemitische Aktionen und den Einsatz von Gewalt zur Beschränkung der Meinungsfreiheit aufgefallen: 2002 überfielen sie den Hamburger Radiosender FSK; mindestens dreimal attackierten sie in den letzten Jahren pro-israelische Demonstrationen und warfen Flaschen; im Januar 2009 organisierten sie eine Unterstützungsveranstaltung für die Hamas auf dem Jungfernstieg (im Verbund mit Linkspartei und Islamisten).

Bei der Kinoblockade im Oktober 2009 erhielt die »B5« Verstärkung von Gernot H., einem einer militanten „Tierrechtsbewegung“ angehörenden Boxer und Kampfsportler. Dieser musste sich nun vor Gericht verantworten, weil ein Mann, der vor dem Kino von ihm geschlagen und später noch einmal von ihm überfallen und bedroht worden war, Anzeige erstattet hatte. Im Gespräch mit Lizas Welt beschreibt H.s Opfer, wie er und ein Bekannter attackiert wurden:

Bei der Kinoblockade bauten sich mehrere Leute vor uns Gästen auf, darunter Gernot H., der mit Zahnschutz und schweren Lederhandschuhen offensichtlich auf körperliche Auseinandersetzung vorbereitet war. H. schlug dann auch unmittelbar zu, und zwar erst meinem Begleiter A., dann mir gezielt ins Gesicht, immerhin so stark, dass ich zurücktaumelte und A.s Auge angeschwollen war. Ich bin dann gegangen und habe die Polizei gerufen, die nach einer Zeit kam, das (inzwischen beruhigte) Geschehen aus der Ferne beobachtete und dann schnell wieder ging. Fünf Tage späte traf ich H. beim Aussteigen an der U-Bahn Feldstraße wieder. Er fixierte mich auf dem Weg zur Ausstiegstreppe; als er schließlich direkt vor mir stand, sagte ich: ›Wenn hier irgendwas passiert, zeige ich dich an.‹ Daraufhin sagte H. ›Du hast mich bedroht‹ und schlug mir wieder unvermittelt ins Gesicht. Beim Gehen rief er mir noch zu: ›Du kommst hier öfter längs, du bist dran.‹

Eine weitere Begegnung mit H. fand in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2010 in einer zu dieser Zeit wenig belebten Straße statt:

Diesmal drohte er: ›Wenn ich wegen dir vor Gericht komme, kille ich dich. Das schwör’ ich dir. Nimm mich ernst.‹ Die letzte Begegnung gab es dann am 24. Dezember 2010, als ich einkaufen war. H. stand vor mir in der Schlange, ging dann aus dem Laden; als ich den Laden verließ, sprang er von hinter der Tür hervor und spuckte mir ins Gesicht.

Anders als der gelangweilte Richter präsentierte sich H.s Verteidiger, sonst eher Spezialist für Drogen-Kleinkriminelle, während des Prozesses höchst motiviert – so, als wäre er in einer wichtigen Mission unterwegs. In seinem Plädoyer klagte er darüber, dass man »wegen des Nationalsozialismus in Deutschland leider nicht gegen Israel sein« dürfe. Vom Richter wurde Gernot H. zugute gehalten, dass seine Schläge nicht dazu geführt hätten, dass das Opfer »blutüberströmt zusammenbrach«. Den Satz »Wenn du mich anzeigst, kille ich dich« habe der arbeitslose »Baumpfleger« nicht wörtlich gemeint.

Von zwei Zivilpolizisten, die bei den Ereignissen vor dem Kino anwesend waren, aber nicht eingegriffen hatten, tauchte nur einer vor Gericht auf. Er bestätigte zunächst die Auseinandersetzung vor dem Kino, war sich aber plötzlich nicht mehr sicher, nachdem der Verteidiger ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es kein gutes Licht auf ihn werfe, wenn er trotzdem untätig abseits gestanden hätte. Identifizieren konnte er niemanden.

Nach zwei Prozessterminen mit Zeugenanhörungen wurde Gernot H. wegen Nötigung und zweifacher Körperverletzung schuldig gesprochen. Das Strafmaß: eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à zehn Euro – auf Bewährung. Als einzige Auflage muss H. 200 Euro in den Justiztopf »Wissenschaft/Kunst/Kultur« spenden und darf für einen Bewährungszeitraum von zwei Jahren keine Unterstützer Israels mehr verprügeln.

Unter den Zuschauern waren vor allem linke Antisemiten, Freunde des Angeklagten. Der Staatsanwalt war Außenseiter im Saal mit seiner Ansicht, es dürfe nicht toleriert werden, dass die Vorführung eines Films über Israel, »der drei Jahrzehnte lang überall in der Welt gezeigt werden konnte«, ausgerechnet in Hamburg nicht möglich sei.

H.s Opfer zeigte sich gegenüber Lizas Welt »einerseits erleichtert, dass H. überhaupt schuldig gesprochen wurde«. Schließlich hatte der Richter schon am ersten Tag die Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen (was die Staatsanwaltschaft aufgrund des öffentlichen Interesses an dem Fall ablehnte). Außerdem, so der Mann weiter, sei das Hauptziel ja »ein deutliches Signal« gewesen, dass er sich H.s Aktionen nicht gefallen lasse; nun müsse H. – hoffentlich – »erst einmal die Füße still halten«. Andererseits seien 80 Tagessätze auf Bewährung für zweimal Körperverletzung und einmal Nötigung »schon auch irgendwie ein Witz, vor allem, wenn selbst die Entlastungszeugin bestätigt, dass H. einen Mundschutz trug, das heißt, offensichtlich mit Vorsatz und (mindestens passiver) Bewaffnung handelte.« Trotz des lächerlich milden Urteils war Gernot H. sichtbar sauer: Er hatte einen Freispruch erwartet und machte nun seinem Ärger Luft: »Waschlappen« rief der Schläger in Richtung der Zeugen, als er das Gericht verließ.